Peter Stein, Fürsprecher:
Haftung aus Vertrag, unerlaubter Handlung und Produktehaftpflichtgesetz
Inhaltsverzeichnis
1. Das schweizerische Produktehaftpflichtgesetz (PrHG)
1.1 Grundsätzliches zum Produktehaftpflichtgesetz
1.2 Definitionen gemäss Produktehaftpflichtgesetz
1.2.1 Produkte
1.2.1.1 Bewegliche Sache
1.2.1.2 Elektrizität
1.2.2 Fehlerhaftigkeit
1.2.2.1 Konstruktionsfehler
1.2.2.2 Fabrikationsfehler
1.2.2.3 Instruktionsfehler
1.2.2.4 Beobachtungsfehler
1.2.3 Hersteller
1.3 Haftungsfälle
1.4 Beweislastregeln
1.4.1 Vom Geschädigten zu führender Beweis
1.4.2 Entlastungsbeweis des Herstellers
1.5 Verjährung / Verwirkung
2. Haftung aus Vertrag - ausservertragliche Haftpflicht (OR 41 / OR 55)
2.1 Die vertragliche Haftung im speziellen
2.1.1 Kaufvertrag
2.1.2 Werkvertrag
2.2 ausservertragliche Haftpflicht gemäss OR 41 und OR 55
2.2.1 ausservertragliche Haftpflicht gemäss OR 41
2.2.2 ausservertragliche Haftung gemäss OR 55
2.2.3 Würdigung der ausservertraglichen Haftungsgrundlagen
3. Schutz vor Produktehaftpflichtfällen
3.1 Iso-Zertifizierung
3.2 Produktehaftpflichtversicherung
1. Das schweizerische Produktehaftpflichtgesetz (PrHG)
Einführungsbeispiel (Glaskugelfall):
Die auf die Herstellung von Glasprodukten spezialisierte Firma A verschickt an ihre Kunden Werbegeschenke in der Form einer Glaskugel. Kunde B benutzt diese Glaskugel in der Folge als Briefbeschwerer. Die Februarsonne scheint durch das Fenster und die Glaskugel hat die Wirkung eines Brennglases. Die Wohnung des B brennt in der Folge ab.
Das Produkt der Firma A hat einen Schaden beim Kunden B verursacht. Das Produktehaftpflichtgesetz hilft dem B, seine Schadenersatzansprüche gegenüber der Firma A durchzusetzen.
1.1 Grundsätzliches zum Produktehaftpflichtgesetz
Mit der Einführung des Produktehaftpflichtgesetzes wurde eine vertraglich nicht wegbedingbare (PrHG 8) Anspruchsgrundlage geschaffen, die es dem durch ein fehlerhaftes Produkt Geschädigten erlaubt, von dessen Hersteller Ersatz zu verlangen. Dabei spielt es keine Rolle, ob den Hersteller an der Fehlerhaftigkeit seiner Produkte ein Verschulden trifft oder nicht.
Die Haftung des Herstellers tritt ein, wenn ein fehlerhaftes Produkt einen Personen- oder Sachschaden an einem Objekt zum privaten Gebrauch verursacht hat (PrHG 1 lit.a und b).
1. 2 Definitionen gemäss Produktehaftpflichtgesetz
1.2.1 Produkte
Produkte im Sinne des PrHG sind bewegliche Sachen, auch wenn sie Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet und Elektrizität (PrHG 3).
1.2.1.1 Bewegliche Sache
Definition bewegliche Sache (ZGB 713): Bewegliche Sachen sind die ihrer Natur nach beweglichen körperlichen Sachen sowie Naturkräfte, die der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden können und nicht zu den Grundstücken gehören.
Zu den Grundstücken gehören (ZGB 655): Liegenschaften, die ins Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte, Bergwerke und Miteigentumsanteile an Grundstücken.
1.2.1.2 Elektrizität
Nicht geregelt ist die strittige Frage, ob Stromausfallschäden unter die Produktehaftpflicht fallen. Die h.L. lehnt dies mit der zweifelhaften Begründung ab, dass die Nichtlieferung nicht mit einer fehlerhaften Lieferung gleichgesetzt werden könne. Es macht aber wohl kaum einen Unterschied, ob ein Computer wegen Stromschwankungen beschädigt wird oder ob der Inhalt einer Tiefkühltruhe wegen Stromausfall verdirbt.
1.2.2 Fehlerhaftigkeit
Fehlerhaft ist ein Produkt, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände von ihr erwarten darf. Ob diese Sicherheitserwartungen im Einzelfalls erfüllt sind, beurteilt sich nach Verkehrsanschauung und insbesondere unter Berücksichtigung
- der Darbietung des Produktes (Werbung, Gebrauchs- und Warnhinweise etc.)
- des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann (Bsp.: Legos werden von Kindern auch in den Mund genommen)
- Wissenstand im Zeitpunkt der Inverkehrsetzung des Produktes
Der Hersteller haftet nicht, wenn er beweist, dass die Sache nach dem Stand von Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem sie in Verkehr gebracht wurde, nicht als fehlerhaft erkannt werden konnte. damit sind die sog. Entwicklungsgefahren von der Produktehaftung ausgenommen.
Die h.L. geht davon aus, dass auf Computer-Software die Produktehaftpflichtgesetzgebung nicht anwendbar ist. Bei Computer-Software handelt es sich um ein geistiges Werk, welches nicht vom Produktebegriff des PrHG umfasst werden soll (Twix-Tel-Fall).
Es werden folgende Arten von Fehlerkategorien unterschieden:
1.2.2.1 Konstruktionsfehler
Ein kennzeichnendes Merkmal dieser Art von Fehlern ist, dass sie nicht einem einzelnen Stück einer sonst einwandfreien Serie von Produkten, sondern jedem Einzelstück anhaften (Bsp.: fehlerhafte Konstruktion des Benzintankes des Ford Pinto, fehlende Schutzvorrichtungen an Maschinen, nicht explosionssichere Einwegflaschen).
1.2.2.2 Fabrikationsfehler
Von Fabrikationsfehlern spricht man, wenn ein Einzelstück eines ansonsten fehlerfrei konzipierten Produkts nicht einwandfrei gefertigt worden ist (Bsp.: mangelhafte Schweissnaht an einem Fahrradrahmen, klemmendes Gaspedal, Salmonellen im Dessert, aidsverseuchte Blutkonserven, Thypusbazillen in Trinkmilch etc.).
1.2.2.3 Instruktionsfehler
Durch die Inverkehrsetzung gelangt das Produkt in die Rechtssphäre von Benutzern, welche mit den Eigentümlichkeiten und Grenzen, die es beim Umgang mit dem Produkt zu beachten gilt, nicht vertraut sind. dadurch können selbst tadellos konstruierte und hergestellte und bei richtiger Handhabung harmlose Produkte zur Quelle schwerster Schädigungen werden. der Hersteller ist deshalb verpflichtet, die Benützer seiner Erzeugnisse im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren über die ordnungsgemässe Benutzung sowie die von den Produkten allenfalls ausgehenden Gefahren zu informieren (überspitztes Bsp.: Mikrowellenfall).
Bei Instruktionsfehlern handelt es sich häufig um unzulängliche Gebrauchs-, Bedienungs-, oder Dosierungsanleitungen.
Bedienungsanleitungen müssen so abgefasst werden, dass der Konsument auf alle Gefahren hingewiesen wird, die bei dem Gebrauch entstehen können. Die Instruktionen müssen ausführlich sein. Sie müssen nicht nur auf dem bestimmungsgemässen Gebrauch eingehen, sondern auch auf eine nicht ganz fern liegende versehentliche Fehlanwendung. Eine ganz missbräuchliche Verwendung muss der Produzent in seine Überlegungen nicht einbeziehen.
1.2.2.5 Beobachtungsfehler
Technische Fehler, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts noch nicht erkennbar waren (sog. Entwicklungsfehler), sind keine haftungsbegründenden Konstruktionsfehler. Treten allerdings wegen eines Entwicklungsfehlers vermehrt Schäden an anderen Sachen oder Personen auf, so kann der Hersteller zum Rückruf seines Produktes verpflichtet sein. Um diese Schäden registrieren zu können, hat der Hersteller die Pflicht, sein Produkt am Markt zu beobachten.
1.2.4 Hersteller
Der durch das PrHG statuierten Haftung unterliegt nicht allein der Hersteller des schadensstiftenden Endproduktes, auch der Zulieferer fehlerhafter Teilprodukte und die Erzeuger der Grundstoffe haften solidarisch (PrHG 7) neben dem Hersteller des Endprodukts. Als Hersteller behandelt wird auch der Anscheinsproduzent, der Importeur, welcher Produkte zum Wiederverkauf in die Schweiz einführt, sowie jeder Lieferant von "anonymen" Produkten, der seinen Lieferanten oder den Hersteller nicht bekanntgibt.
1.3 Haftungsfälle
Das Produktehaftpflichtgesetz deckt folgende Haftungsfälle ab:
- Entstehung eines Körperschadens (inkl. Tötung) durch ein fehlerhaftes Produkt
- Entstehung eines Sachschadens an anderen Produkten als an der fehlerhaften Sache. Der Sachschaden wird aber -nach PrHG- nur ersetzt, wenn das Produkt zum privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt war oder vorwiegend in diesem Bereich verwendet wurde.
1.4 Beweislastregeln
1.4.1 Vom Geschädigten zu führender Beweis
Einen Geschädigten trifft in Produktehaftpflichtfällen die Beweislast dafür, dass
- der geltend gemachte Schaden durch ein Produkt des in Anspruch genommenen Herstellers verursacht worden ist
- das Produkt fehlerhaft war (vgl. obstehend Ziffer 3.2.2)
- zwischen dem Fehler und dem eingetretenen Schaden ein Kausalzusammenhang besteht
1.4.2 Entlastungsbeweis des Herstellers
Dem Hersteller stehen nach PrHG 5 folgende Entlastungsbeweise offen:
- dass er das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat (Minderwertige Bestandteile (z.B. Fälschungen) Formel 1 / Luftfahrt)
- dass unter Berücksichtigung aller Umstände davon auszugehen ist, dass der schadensverursachende Fehler nicht vorlag, als das Produkt von ihm in den Verkehr gebracht wurde (Kinderschaukelfall)
- das Produkt hat zum Zeitpunkt der Inverkehrsetzung verbindlichen hoheitlichen Normen entsprochen
- die Fehlerhaftigkeit konnte nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Inverkehrsetzung nicht erkannt werden (Pharma-Produkte)
- falls Hersteller von Teilprodukten nachweisen können, dass der Fehler auf die Konstruktion des Endprodukts oder auf die Anleitung des Herstellers zurückzuführen ist
1.5 Verjährung / Verwirkung
Dreijährige Verjährungsfrist ab Zeitpunkt der Kenntnis des Schadenumfanges und der Identität des Schädigers (PrHG 9).
Die Haftung des Herstellers erlischt mit dem Ablauf von zehn Jahren nach dem Tag, an dem das fehlerhafte Produkt durch den Hersteller in Verkehr gebracht worden ist, wenn der Geschädigte in der Zwischenzeit nicht ein gerichtliches Verfahren gegen den Schädiger eingeleitet hat (PrHG 10).
2. Haftung aus Vertrag - ausservertragliche Haftpflicht (OR 41 ff )
2.1 Die vertragliche Haftung im speziellen
Da gemäss PrHG 11 die durch das Produktehaftpflichtgesetz geschaffene Anspruchsgrundlage die bisherigen Rechtsbehelfe (z.B. Obligationenrecht) ergänzt und nicht ersetzt, stehen einem Geschädigten gegebenenfalls mehrere Anspruchsgrundlagen nebeneinander zur Verfügung.
Je nach Art des schadenverursachenden Produkts, des erlittenen Schadens und der rechtlichen Beziehung, in welcher der Geschädigte und der ins Recht Gefasste zueinander stehen, können in der Schweiz Produktehaftungsklagen auch auf eine oder mehrere der nachfolgenden Haftungsgrundlagen gestellt werden:
- die ausservertragliche Verschuldenshaftung gemäss OR 41
- die ausservertragliche Kausalhaftung gemäss OR 55 (verschuldensunabhängig)
- vertragliche Haftung gemäss OR 197ff (Kaufvertragsrecht), OR 368 (Werkvertrag) und OR 97 (positive Vertragsverletzung)
Ausserhalb des Anwendungsbereiches des Produktehaftpflichtgesetzes bleibt die ausservertragliche Haftung (OR 41 und 55) wohl in folgenden Bereichen die wichtigste Anspruchsgrundlage:
- gewerbliche, öffentliche oder öffentlich-rechtliche Sachschäden
- am fehlerhaften Produkt selber entstandene Schäden (PrHG 1 Abs. 2)
- Genugtuungsansprüche (PrHG regelt nur Schadenersatzleistungen. Es ist umstritten, ob Genugtuungsleistungen hier ebenfalls eingeschlossen sind)
- Schäden, bei denen strittig ist, ob sie durch Produkte im Sinne des PrHG entstanden sind (z.B. Software)
- private Sachschäden, die innerhalb des Selbstbehaltes von Fr. 900.-- liegen
2.1.1 Kaufvertrag
Nach dem in OR 184ff geregelten Kaufrecht haftet der Verkäufer dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängelhabe die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. Liegt ein solcher Mangel vor, so greift der Tatbestand der Sachgewährleistung durch den Verkäufer (OR 205: Wandelung oder Minderung, ev. Garantieregelung). Der Ersatz von kaufrechtlichen Mangelfolgeschäden ist in OR 208 geregelt. Dieser Artikel sieht eine verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für den dem Käufer aus der Mangelhaftigkeit unmittelbar verursachten Schaden vor (Bsp.: Defekte Waschmaschine beschädigt Wäsche). Für den weiteren Schaden (Bsp.: Mangelhaftes Bügeleisen verursacht Kurzschluss, welcher beim Nachbarn -einem Geschäftsmann- zu einem Computerabsturz führt) haftet der Verkäufer nur dann, wenn er sich vom gesetzlich vermuteten Verschulden (Fahrlässigkeit / Vorsatz) nicht exkulpieren vermag. Diese auf den ersten Blick konfortable Lösung für den von einem Mangelfolgeschaden betroffenen Käufer entpuppt sich bei genauerer Betrachtungsweise aus folgenden Gründen als wenig wirksam:
- Der Käufer muss den Kaufgegenstand nach dessen Erwerb tunlich prüfen und die dabei festgestellten Mängel sofort rügen (OR 201 Abs. 1). Ansonsten gilt der Kaufgegenstand in der bestehenden, mangelhaften Form als genehmigt.
- Später auftretende Mängel der Kaufsache müssen sofort nach deren Entdeckung gerügt werden, ansonsten das Kaufobjekt auch hinsichtlich dieser Mängel als genehmigt gilt (OR 201 Abs. 3).
- Die Entdeckung der Mangelhaftigkeit eines Kaufgegenstandes muss innerhalb eines Jahres nach Ablieferung des Kaufgegenstandes erfolgen. Für erst später auftretende Mängel haftet der Hersteller nur dann, wenn er vertraglich eine längere Garantiefrist übernommen hat (OR 210 Abs. 1).
- Der Verkäufer darf die Gewährleistung nicht vertraglich wegbedungen haben (z.B. mit Klausel "wie gesehen, so gekauft", ohne obligo etc.).
- Der Geschädigte muss Vertragspartner des Verkäufers sein.
- Werkvertrag
Für Folgeschäden, die aus der Lieferung eines mangelhaften Werkes im Sinne von OR 363 resultieren, haftet der Unternehmer dem Besteller gemäss OR 368 Abs. 1 nur dann, wenn er nicht beweisen kann, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt (OR 97). Auch hier muss eine rechtzeitige Mängelrüge erfolgen.
- Ausservertragliche Haftpflicht gemäss OR 41 und OR 55
In der Praxis ist es heute bekanntlich so, dass z.B. ein Unternehmer ein Werk herstellt, dass aus einer Vielzahl von Komponenten besteht, die er selber eingekauft hat. Mit der Entwicklung und Herstellung dieser Teilkomponenten hat dieser Unternehmer meist nicht das geringste zu tun. Sämtliches Know-How über die Teilkomponenten liegt bei Dritten, welche mit dem Endabnehmer in keiner vertraglichen Beziehung stehen.
Beispiel 3:
Ein Unternehmer erstellt für einen Privaten einen Swimming Pool. Die Motoren für die Massagedüsen kauft er bei Dritten ein. Betreffend dieser Motoren hat er wahrscheinlich kein grösseres Know-How als der Besteller des Swimming Pools.
Aufgrund der in der Regel fehlenden vertraglichen Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem für die Fehlerhaftigkeit des Produktes Verantwortlichen spielt in der Praxis die ausservertragliche Haftpflicht (OR 41 und OR 55) eine wichtige Grundlage des schweizerischen Produktehaftpflichtrechtes.
2.2.1 ausservertragliche Haftpflicht gemäss OR 41
Gemäss OR 41 ist Schadenersatz geschuldet, wenn jemand einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es aus Absicht (wissen/wollen) oder aus Fahrlässigkeit (wissen müssen/nicht wollen). Ein Schädiger wird haftpflichtig, wenn der Anspruchsteller beweisen kann, dass:
- ein Schaden vorliegt
- das Verhalten des Schädigers widerrechtlich war
- ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der schädigenden Handlung besteht
- ein Verschulden des Schädigers vorliegt
Während ein Schaden und die Kausalität seiner Entstehung gewöhnlich ohne weitere Schwierigkeiten nachzuweisen sind, bereitet der Nachweis eines rechtswidrigen Verhaltens oft erheblich mehr Mühe. Widerrechtlich ist ein schädigendes Verhalten dann, wenn es gegen geschriebene oder ungeschriebene Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Wichtigste ungeschriebene Norm ist hier der Gefahrensatz, der besagt, dass " wer einen gefährlichen Zustand schafft oder unterhält, verpflichtet ist, alle geeigneten Massnahmen zur Verhütung des Schadens zu treffen". Ein Werkhersteller haftet somit überall dort, wo er die ihm obliegenden Gefahrabwendungspflichten im Bereich der Konstruktion, Fabrikation, Instruktion und der Werkbeobachtung nicht wahrgenommen hat.
- ausservertragliche Haftung gemäss OR 55
- Würdigung der ausservertraglichen Haftungsgrundlagen
Nach OR 55 haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausführung ihrer geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben. Egal, ob sie ihm direkt oder nur mittelbar unterstellt sind und auch dann, wenn die Hilfspersonen kein Verschulden trifft (Kausalhaftung). Der Geschäftsherr kann sich hier nur entlasten, wenn er beweisen kann, dass er die Hilfspersonen sorgfältig ausgelesen, umfassend instruiert und in ausreichender Weise überwacht hat.
- Im Unterschied zu den vertraglichen erfordern die ausservertragliche Ansprüche keine Mängelrüge und verjähren erst ein Jahr nach Kenntnis des Schadens und des Schädigers und nicht schon ein Jahr nach Ablieferung des Produktes (z.B. Kaufrecht).
- Vertragliche und ausservertragliche Ansprüche können nebeneinander geltend gemacht werden.
- Mühe bereitet einem Geschädigten namentlich bei einem Vorgehen nach ausservertraglichen Haftpflichtregeln (OR 41 und 55) der Umstand, dass er das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen (Schaden, Widerrechtlichkeit, Kausalität, bei OR 41 als Haftungsgrundlage: Verschulden) nachzuweisen hat.
3. Schutz vor Produktehaftpflichtfällen
3.1 Iso-Zertifizierung
Einem Hersteller gelingt der Entlastungsbeweis, falls er nachweisen kann, dass der schadensverursachende Fehler nicht vorlag, als das Produkt von ihm in Verkehr gebracht wurde.
Zur Führung eines solchen Entlastungsbeweises können funktionierende Qualitätssicherungssysteme sehr nützlich sein. Ein praktiziertes Qualitätssicherungssystem zeichnet sich durch grösstmögliche Transparenz aus. Im Schadenfall müssen Dokumente verfügbar sein, aus denen hervorgeht, dass das Produkt fehlerfrei ausgeliefert wurde.
Beispiel:
Die Herstellerin von Kinderschaukeln legte ihrem Montageset stets besonders konstruierte, hochwertige Spreizschrauben eines bestimmten Typs bei. Einige Schaukeln wurden an den Spielzeughändler V geliefert. V ging ein Montageset in seinem Lager verloren. Er besorgte sich im Kaufhaus einfache Ersatzschrauben eines anderen Typs und verkaufte die Schaukel an K. Dessen Tochter brach sich in der Folge auf der Schaukel ein Bein, weil die ungeeigneten Schrauben aus der Verankerung gerissen waren.
Nach PrHG 5 Abs. 1 könnte sich der Hersteller von der Haftung befreien, wenn er nachweisen kann, dass er die Schaukel fehlerfrei geliefert hat. Diesen Beweis kann er mittels Dokumentation der Endkontrolle erbringen. Gleichzeitig wäre eine Quittung des Händlers von Nutzen, aus der hervorgeht, dass die Schaukel komplett, d.h. mit den besagten Spreizschrauben geliefert wurde.
3.2 Produktehaftpflichtversicherung
Die zivilrechtliche Produktehaftpflicht des Unternehmers resp. seiner Mitarbeiter lässt sich durch den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung finanziell abwenden. Auf der strafrechtlichen Seite kann die Verantwortlichkeit jedoch nicht auf einen Versicherer übertragen werden.